Die Ausstellung zeigt Werke aus der berühmten Sammlung Morat aus Freiburg und einige aus Privatbesitz.
Um die grandiosen Fixsterne der Kunstgeschichte wie Schongauer, der Dürer vorbereitet und der seinerseits in seinen großen Kupferstichen, wie Adam und Eva – Ritter, Tod und Teufel – Melancholia – und dem Hieronymus unerreichte schöpferische Kraft entfaltet, strukturiert die Ausstellung außergewöhnliche und äußerst selten zu sehende Meister. So sind Arbeiten von Adam Elsheimer, Jakob von Ruisdael oder Claude Lorrain neben den einzigartigen Arbeiten von Rembrandt (z.B. Hundertguldenblatt, Landschaft mit drei Bäumen und fünf weiteren Blättern) zu sehen. Sie treiben mit ihrer Lichtbehandlung und dem atemberaubenden Können des Meisters den künstlerischen Prozess der Kunstgeschichte voran. Jaques Callot erfindet den Vernis dur und Francisco Goya entwickelt mit Hilfe der Aquatinta seine entlarvenden und abgrundtiefen Bildgedanken in den Blättern der Caprichos. Zwischen Romantik und ihren fantastischen Zügen scheint die absurde Welt eines James Ensor auf und führt im 20.-Jahrhundert zu den virtuosen und zugleich verstörenden Blättern von Horst Janssen. Zuvor aber sprengen die expressiven Figuren von Max Beckmann den Raum und die minutiösen Strichlagen von Giorgio Morandi schaffen die feinsten Nuancen seiner Bildwelt. Alberto Giacomettis Figurationen wiederum lösen sich im Raum fast auf und begründen seine existentialistische Aura. In Marcel Duchamp, einem genialen Erfinder und Anreger, verbanden sich französisches Denken und Sprachwitz mit industrieller Maschinenkultur, Erotik und Voyeurismus unlösbar. Er ist der einflussreichste Künstler des 20. Jh. und seit den 10 er Jahren der Urvater und als Rrose Sélavy die Urmutter aller Bewegungen des Jahrhunderts. Auch in dieser Ausstellung kann man ihn nicht ungesehen passieren.
Die zartesten und zerbrechlichsten Liniengespinste erzeugt Wols und erfasst gleichzeitig die Art Informel der Franzosen, die Action Painting Amerikas, wie den Abstrakten Expressionismus hierzulande.
Für Per Kirkeby sind Radierungen wie Tagebücher, die nach ihrem Abdruck die eigene Tat erleben lassen und Franz Armin Morat bezeichnet ihn als „peintre-graveur par excellence“ der Gegenwartskunst. Georg Baselitz hat seine Motive im Kopf oder eben auf dem Kopf. Er verfügt über sie, löscht sie aber nicht aus und gräbt ihre Linien in seine und unsere Erinnerung.
Das einmalige Angebot dieser Ausstellung besteht in der Möglichkeit, die fast unglaubliche künstlerische Kreativität, ihre Differenzen und Korrespondenzen in exzellenten Beispielen gleichzeitig an einem Ort nebeneinander zu sehen. Der Betrachter kann in die Vergangenheit eintauchen, diese in die Gegenwart holen und beide miteinander vermessen. Die unerschöpfliche Quelle der Grafik für Bildideen und Formentwicklungen, für Aussagen religiöser, geistiger und gesellschaftlicher Natur, zu Publikumswahrnehmung und Sammeltätigkeit wird sichtbar.
Jeder der Künstler – auch die jüngsten (Markus Daum, Kurt Kocherscheidt und Herbert Maier) – hat die Grafik auf eigene Weise als eigenständige Größe behandelt. Bei jedem ist die Grafik notwendiger Ausdruck seines Wesens und Wollens.
Artur Elmer, Kurator