Der Kunstverein Aalen präsentiert in seiner Ausstellungsreihe „Zwischenspiel“ vom 2. September bis 23. September 2018 die Ausstellung „Kathrin Beck, Binu Thomas, Hans Brög, Barbara Wichelhaus: Ein indisch-deutscher Dialog“. Ausstellungseröffnung ist am Sonntag, 2. September um 11:00 Uhr.
Kathrin Beck beschreibt ihre Arbeit wie folgt:
„Beim Malen begebe ich mich auf eine Art Expedition. Es ist eine Forschungsreise in einen tiefen Wald, der voll von unglaublichen Kreaturen, von Geräuschen des Tages und der Nacht ist. Es sind unbekannte Wohlgerüche und leises Zirpen wahrzunehmen. Ich empfinde mich mitten im Leben, inmitten der Stille. Ich interessiere mich nicht dafür, etwas Abzubilden. Ich interessiere mich dafür, minutiös zu untersuchen, zu entdecken, Ungeahntes und doch vielleicht in Träumen, die ich vor langer Zeit gesehen haben, Empfundenes, zu entdecken.
Was könnte der Natur, dem Kosmos gleichkommen?
Nichts ist solitär. Alles steh in Verbindung zu etwas anderem.
Meine Reise hat eine vage, festgelegte Route auf dem Blatt Papier. Mit wachem, konzentriertem Geist, mache ich mich auf den Weg und beginne zu Malen.
Ich glaube, dass nichts bedeutungslos ist, das alles eine innewohnende Besonderheit hat. Es gibt kein Unkraut, alles kann heilen, wenn wir nur um die richtige Anwendung wissen. Alles ist nützlich, wenn wir den richtigen Zeitpunkt und die jeweilige verborgene Essenz kennen.
Es sind Schätze und Wesen, welchen ich auf meiner Expedition begegne. Es sind Gefahren und unerwartete Wunder, die erkannt werden können, es sind Naturspektakel, die beobachtet werden wollen, es sind die Gezeiten meines eigenen Geistes, welchen ich begegne. Man erkennt nur das, auch wenn es im Grunde bislang ungesehen oder ungedacht ist, was man bereits in sich trägt – und sei es in einer noch so kleinen Anlage. Es sind Erinnerungen an andere Zeitalter und eine Art des sich Selbst-Verstehens.
Seit den letzten fünf Jahren habe ich mich verstärkt auf kleinformatige Aquarelle auf Papier konzentriert. Sie sind wie spontane Gedichte, wie die Seiten eines Tagebuchs.“
Binu Thomas Gedanken über seine Malereien:
„Ich beginne gerne mit einer Aufteilung der Leinwand. Für mich ist das Malen kein spontaner Fluss, es kommt allerdings aus vielen spontanen Ideeen, gesammelt in Zeichnungen und übertragen in verschiedene Formen. In meiner neuen Malerei-Serie sind die Farben reduziert und ausgewählt.
Freiheit und Disziplin haben zentrale Bedeutung. Disziplin bedeutet für mich eine Struktur, die beschützt und zugleich Freiheit gewährt – nicht eine Einschränkung wie es ansonsten aufgefasst wird.
Die Struktur eines Vogels beispielsweise gibt ihm die Freiheit, sich im Himmel zu bewegen, nicht die Struktur eines Menschen. Diese Freiheit ist natürlich auch eine Einschränkung. Das bedeutet, dass Einschränkung und Freiheit aufgrund unserer eigenen Sichtweise auf etwas entschieden werden.
Freiheit bedeutet für mich, die Schaffung neuer Formen, die ich „Identitäten“ nenne. Und ich möchte eine weitere Dimension dieser Formen hervorbringen, die nicht benannt und definiert, jedoch wahrgenommen werden kann.
Die Strukturen in meinen Malereien setzen sich aus feinen Pinsel-Linien zusammen. Beim Malen von Linien muss ich mich einer großen Herausforderung stellen und ein Gleichgewicht des Geistes bewahren; es fordert ebenso Kontrolle über das Atmen während des Malens. Genau das ist es, was ich im Prozess des Malens genieße. Es ist eine Übung der Meditation, der Geduld und Ruhe. Dies ist auch der Grund dafür, dass ich vorwiegend Geometrie verwende – sie ist von perfekter Schönheit und Exaktheit. Wenn ich geometrische Formen male, dann ist dabei keinerlei Schwankung und Abwesenheit des Geistes möglich. In manchen meiner Bilder habe ich gekrümmte und geschwungene Linien verwendet, um die Einschränkungen und definierten Strukturen zu durchbrechen. Solche Linien sind ganz unabhängig von Geometrie und sind frei fließend wie Gedanken, die sich frei ohne jeglichen Begrenzungen und ohne eine bestimmte Form bewegen können, die man allerdings bewusst verfolgen kann (z. B. „TILL THE END/ Bis zum Ende“ und „PRANA“).
Der Geist mit seinem Wankelmut, seinem Fluss, seinen Formationen, seinen Schatten und Abwandlungen selbst ist immer wieder Thema meiner Malereien. Sie sind ebenfalls Selbstreflexion und eine Methode zur Isolation, was Meditation bedeutet. Der Zustand höchster Gedankenvesunkenheit kann Stille genannt werden. Darin ist die Bewegung des Körpers reduziert, der Geist ist frei.“
Hans Brögs Schaffen wurde von Barbara Wichelhaus folgendermaßen beschrieben:
Hans Brög
Nicht gegebene Wirklichkeit!
„Scharf und milde, grob und fein,
Vertraut und seltsam, schmutzig und rein,
Der Narren und Weisen Stelldichein:
Dies alles bin ich, will ich sein,
Taube zugleich, Schlange und Schwein.“
(Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft)
Pluralisierung, heute ein Schlagwort moderner, postmoderner Philosophie und Gesellschaftstheorie, hat schon Nietzsche als eine Existenzmöglichkeit propagiert. Läßt sich bei der großen Fülle und Vielfalt des künstlerischen, auch schriftstellerischen und wissenschaftlichen Oeuvres von Hans Brög eine vergleichbare Existenzform entdecken?
Gibt es Wege, das nur schwer Übersehbare zu sichten, eine Ordnung ins plurale Chaos zu bringen? Gelingt es mit einer solchen Ordnung das Ganze zu erfassen, wenigstens das Wesentlichste oder aber nur bruchstückhaft Bruchstückhaftes?
Die Vielschichtigkeit der Arbeit verdient eine analytische und eine synthetische Lesart. Dabei können unterschiedliche Stränge verfolgt werden, die sich jedoch ergänzen und ein komplexes Bild ermöglichen.
[…] „Kreative Hervorbringungen“, hat Hans Brög 1973 in seinem Buch zum Geniebegriff geschrieben, „sind über einem abzählbar endlichen Repertoire aufgebaut, dieses ganz oder teilweise beinhaltend, weshalb sie selbst in ihrem Repertoire und in ihren Schritten, die zur Realisation führten, abzählbar endlich sind. Wenn dem so ist, ist der kreative Mensch für das, was er hervorbringt, selbst verantwortlich.“
Barbara Wichelhaus
[Quelle: Hans Brög 1960 – 1995, Städtische Galerie im Park Viersen, September – November 1995, Cubus Kunsthalle Duisburg, Januar – Februar 1996, Katalog]
Die Kunst von Barbara Wichelhaus findet ihre Stimuli in alltäglichen Ereignissen. Zugänge und Zugriffe sind unterschiedlich: Sammeln und Sortieren, experimentelles Erkunden von Materialien/ Utensilien bezüglich deren Brauchbarkeit für Malerei, Grafik, Collage und/ oder Skulptur, dazu begleitendes (Nach-)Lesen und Schreiben bilden die Grundlagen der Aneignung und Verfügbarkeit, letztlich die Basis künstlerischer Arbeit.
Damit steht sie in der Tradition von Kunstströmungen der 70er Jahre, wie z. B. Spurensicherung, Konzept-Art, Feldforschung. Die Anregungen und Übernahmen werden mo-difizierend, variierend und kombinierend, intermedial-aktionistisch verwendet und in postmoderner Weise mit konventionellen künstlerischen Verfahren, vor allem durch Hoch- und Tiefdruck, unkonventionell weitergeführt.